Anfang des Jahres übernahm Siemens Energy den Windkraftanlagenbauer Gamesa komplett und nahm ihn von der Börse. Dieser Schritt könnte sich rächen. Heute verlor die Siemens Energy Aktie rund ein Drittel ihres Börsenwertes – in nur einer Nacht.
Ihr Kapital ist in Gefahr
Die Siemens Energy Aktie hat in kurzer Zeit heftige Einbußen erlebt/ Bilderquelle: siemens-energy.com
💡 Auf den Punkt gebracht:
- Sorgenkind von Siemens Energy ist die Tochterfirma Gamesa, die Windkraftanlagen herstellt und wartet.
- Der Konzern erklärte, dass es deutlich erhöhte Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten gäbe und die Kosten vermutlich über 1 Mrd. EUR liegen werden (anstatt der bislang bezifferten 472 Mio. EUR).
- Allerdings besteht große Unsicherheit bezüglich der Kosten, sodass Analysten und Anleger nicht genau beziffern können, wie groß denn der Schaden wirklich ist.
- Hinzukommt, dass diese Nachricht auch einen gewissen Reputationsschaden mit sich bringt. Es kann sein, dass potenzielle Käufer sich der Konkurrenz zuwenden.
- Die Gewinnprognose für Gamesa musste der Konzern zurückziehen. Da Gamesa einen wesentlichen Anteil am Gesamtergebnis von Siemens Energy ausmacht, musste auch der Konzern als Ganzes eine Gewinnwarnung aussprechen.
Das Online-Portal „Der Aktionär“ titelt „Historischer Kurseinbruch bei Siemens Energy“. Das ist richtig. Denn dass die Siemens Energy Aktie im Tief sogar über 35 Prozent verlor, ist historisch, denn das gab es noch nie bei dieser Aktie.
Allerdings müssen wir auch festhalten, dass die ehemalige Siemens-Tochter auch erst seit Oktober 2020 an der Börse notiert, also noch nicht einmal drei Jahre.
Dennoch können wir hier von einem regelrechten Massaker sprechen. Denn ein Kursrutsch von über 35 Prozent ist für einen DAX-Wert schon Seltenheit.
Wie die FAZ in einem Artikel bemerkte, gab es bislang nur 5 DAX-Unternehmen, die an einem einzigen Tag prozentual mehr verloren als heute die Siemens Energy Aktie (Hypo Real Estate, Wirecard, MLP, VW Stammaktie sowie Infineon).
Die einzelnen Sparten im Überblick
Werfen wir nun einen Blick auf die einzelnen Sparten von Siemens Energy und wie diese zum Ergebnis (vor Sondereffekten) im zweiten Quartal 2023 beitrugen:
- Gas Service: 299 Mio. EUR (10,5 % Marge)
- Grid Technologies: 115 Mio. EUR (6,6 % Marge)
- Transformation of Industry: 73 Mio. EUR (6,3 % Marge)
- Siemens Gamesa: -374 Mio. EUR (-15,4 % Marge)
Natürlich ist das nur ein Quartal. Es ist notwendig, mehrere Quartale zu analysieren, um eine fundierte Aussage zu treffen.
Aber die Zahlen aus dem Q2 2023 zeigen schon, wie in etwa die Relationen der einzelnen Sparten sind.
Der Bereich Windkraft (über die Tochter Gamesa) macht einen Großteil der Gewinne der anderen Bereiche wieder zunichte.
Das erklärt auch, warum die Börse so stark auf die Nachricht reagiert, dass es in diesem Segment zu noch größeren Problemen gekommen ist.
Der Lebenszyklus bestimmter Komponenten bei Windkraftanlagen liegt bei etwa 20 Jahren, wie Siemens-Gamesa-Chef Jochen Eickholt ausführte. Daher ist Gamesa derzeit mit einem schwarzen Loch zu vergleichen. Niemand weiß genau, wie viel Geld dieses Segment noch verschlingen wird.
Anfang des Jahres übernahm Siemens Energy die Gamesa-Tochter komplett. Man erhoffte sich ein besseres Durchgreifen und effektiveres Sanieren des Segments.
Einschätzung der Analysten
Die heutige Nachricht muss zunächst von den Analysten verarbeitet werden. Da nicht mal Siemens Energy die ungefähren Kosten und den Einfluss auf das Ergebnis kennt, macht es das für Analysten umso schwieriger.
Daher haben sich nach der heutigen Meldung noch nicht allzu viele Analystenhäuser eine konkrete Einschätzung herausgegeben.
- Jefferies: belässt Einstufung auf „Buy“ und belässt Kursziel auf 25 EUR
- J.P. Morgan: behält Einstufung auf „Overweight“ und Kursziel weiterhin 28 EUR
- Goldman Sachs: behält Einstufung auf „Buy“; Kursziel weiterhin 31,70 EUR
Ihr Kapital ist in Gefahr
Unsere Einschätzung
👉 Im Allgemeinen sind Aktien von Unternehmen, die auf Windkraftanlagen spezialisiert sind, in den vergangenen 2 Jahren kein gutes Investment gewesen. Als Beispiel seien an dieser Stelle Nordex, Vestas, Örsted oder nun auch Siemens Gamesa zu nennen. Und das, obwohl doch gerade in den vergangenen Jahren so viel Wert auf die Erzeugung nachhaltiger Energie gelegt wurde.
👉 Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Produktion und Instandhaltung der Windkraftanlagen sehr materialintensiv sind. Hinzu kommt auch, dass der Kreis der potenziell wichtigen Kundschaft im Vergleich zu anderen Märkten eher klein ist. Höhere Kosten und Aufwendungen können nicht beliebig weitergegeben werden.
👉 Außerdem ist die Angebotsseite der eines Oligopols ähnlich. Beide Faktoren: Oligopol in einem materialintensiven Geschäft und ein vergleichsweise kleiner Kreis an Kunden, führt tendenziell zu einem Margenschwachen Geschäft.
👉 Kommt es dann auch noch Produktionsseitig zu massiven Problemen, ist der finanzielle Verlust kaum wieder aufzuholen.
👉 Ohne Gamesa wäre die Siemens Energy Aktie ein interessantes Investment. Doch mit der kompletten Übernahme von Gamesa schien man sich keinen Gefallen getan zu haben. Sollte Siemens Energy den Verkauf von Gamesa oder erneute Abspaltung bekannt geben, könnte das ein Kursfeuerwerk auslösen.
