Wie berechnet man Kursziele in der Technischen Analyse?
Wenn es darum geht, möglichst exakt einzuschätzen, wie sich der Kurs eines Basiswertes entwickeln wird, zerfallen Trader und Anleger in zwei Lager. Viele von ihnen nutzen die sogenannte Fundamentalanalyse. Hier steht im Vordergrund, alle wichtigen Informationen auszuwerten, die für die Entwicklung eines Marktes relevant sind. Dazu zählen Unternehmenskennzahlen, ökonomische Trends, die Politik und regulatorische Faktoren, aber auch Trends und Meinungen in der öffentlichen Debatte.
Bei der Technischen Analyse hingegen wird vorausgesetzt, dass diese Informationen bereits im Verlauf des Kurse im Chart enthalten sind. Basierend auf der Annahme, dass Kursentwicklungen faktische und psychologische Einflüsse wiedergeben, identifizieren Nutzer der Chartanalyse Muster im Kurs, die Hinweise auf künftige Trends und Kursziele geben. So lässt sich das Kursziel allein aus dem Chart heraus berechnen. Auch die irrationalen Entwicklungen von Märkten, die von Gegnern der Chartanalyse als Gegenargument postuliert werden, finden sich in den Kursmustern wieder. Die Trendliniendifferenz ist eines der besten Beispiele dafür, wie Euphorien und Enttäuschungen durch Extremwerte jenseits des fairen Wertes der Trendlinie repräsentiert sind – und für die Berechnung von Kurszielen nach Ausbrüchen genutzt werden können. Dies soll Tradern dazu verhelfen, unter möglichst geringen Risiken die beste denkbare Rendite mitzunehmen.
Was steckt hinter der Trendliniendifferenz?
Die Trendliniendifferenzmethode erlaubt die Ableitung von Kurszielen aus dem Trendverlauf – und zwar basierend auf einer Art „Gummiband-Prinzip“. Ebenso, wie ein Gummiband, das um eine bestimmte Länge in eine Richtung ausgezogen wird, anschließend ähnlich weit in die andere Richtung zurückschnellt, verhalten sich die Preise. Sie können Höchst- und Tiefststände erreichen, werden aber immer wieder zurück korrigiert zum „fairen Wert“ des Trends. Anders gesagt, stehen Preisschwünge und ihre umgekehrten Gegenschwünge in Relation und fallen ungefähr gleich aus. Der Ruhezustand des Gummibandes ist der als fairer Wert bezeichnete Trend in seiner Reinform.
Warum funktioniert das Gummiband-Prinzip im Chart?
Das Hin- und Herschnellen von Preisschwüngen ist kein visuelles Phänomen, sondern beruht auf dem Verhalten der Finanzmärkte. Diese sind immer darum bemüht, ein Gleichgewicht zu erreichen und suchen daher eigenständig einen Mittelwert zwischen zwei Extremen. Daher der Vergleich mit dem Gummiband: auch bei Kursverläufen ist zu beobachten, dass sich Extremwerte graduell auspendeln. Die Zickzack-Verläufe der Kurse sind aus diesem Grund so oft deutlich symmetrisch. Diese Symmetrie, die Tatsache, dass Preisschwünge eine vergleichbare Gegenbewegung nach sich ziehen, macht sich die Trendliniendifferenzmethode zunutze.
Wie lassen sich Trendwenden prognostizieren?
Die Berechnung von Trendwenden und Kurszielen mithilfe der Trendliniendifferenzmethode ist besonders dann erfolgreich, wenn die Trendlinie einen möglichst langen Verlauf in einem flachen Winkel vorweisen kann und mehrfach vom Kurs bestätigt wurde – durch ein Einpendeln auf den „fairen Wert“. Wird eine solche ideale Trendlinie signifikant durchbrochen, ist dies ein Hinweis auf eine bevorstehende Trendumkehr.
Wie wird die Trendliniendifferenzmethode praktisch genutzt?
Liegt bei einer Trendlinie ein Durchbruch vor, hilft dies bei der Berechnung des Kursziels. Das Vorgehen ist vergleichsweise unkompliziert und beginnt mit der Einzeichnung deutlich erkennbarer Trendlinien im Chart. Anschließend werden die extremen Preisschwünge oberhalb und unterhalb der Trendlinie identifiziert. Die Distanz, die der am weitesten entfernte Extremkurs zur Trendlinie aufweist, wird an der Stelle des Durchbruchs in genau entgegengesetzte Richtung projiziert. Ein Kursziel lässt sich also zum Beispiel bemessen, wenn ein Kurs einen aufwärts verlaufenden Trend durchbricht und in diesem Fall der Abstand zum letzten Höchstpreis entgegengesetzt an den Durchbruch angelegt wird.
Das ist keine Geometrie, sondern Psychologie, oder besser gesagt, der Behavioural Finance entlehnt. Denn inzwischen weiß man, dass ein Kurs, der aufgrund der Euphorie einer Mehrheit der Anleger einen bestimmten Höchstpreis erreicht, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Durchbruch aufgrund von ebenso großem Pessimismus oder Enttäuschung um dieselbe Ratio wieder fallen wird.
Spiegelbilder von Extremwerten nutzen
Ebenso funktioniert die Trendliniendifferenz, wenn es sich um Abwärtstrends handelt – nur eben in entgegengesetzter Richtung. In diesem Fall ist von einem entsprechenden Höchstpreis auszugehen, wenn es zu einem Durchbruch kommt. Die vertikalen Abstände der Höchstwerte vom fairen Wert des Trends sind eben die Differenzen, die bei diesem Verfahren verwendet werden, um einen Bereich für das Kursziel zu projizieren. Allerdings ist es auch in diesem Fall so, dass man selten eine exakte Kurszielbemessung ausführen kann. Wie bei allen Verfahren, die hier vorgestellt werden, handelt es sich um Annäherungswerte.
Die mithilfe der Trendliniendifferenzmethode ermittelten Kursziele können nach einer Trendumkehr nicht nur erreicht, sondern auch überschritten werden. Die erzielten Ergebnisse sind daher als minimale Kursziele zu betrachten. Erfahrene Anwender der Technischen Analyse empfehlen ohnehin, sich nicht auf ein einziges Verfahren zu verlassen, wenn es um die Kurszielbemessung geht. Der Einsatz verschiedener Methoden bietet den Vorteil, dass sich bei den Ergebnissen oft eine „Schnittmenge“ ergibt, ein Bereich, in dem sich die Werte überlappen. Hier spricht man von sogenannten Clusters. Dies kann als besonders zuverlässig betrachtet werden und liefert Hinweise auf mögliche Stopp Loss Werte.
Skalierungen und zeitliche Intervalle bei der Trendliniendifferenzmethode
In der Chartanalyse haben Anwender die Wahl, entweder die logarithmische oder die lineare Skalierung zu wählen und auf dieser Basis die Trendlinie zu analysieren. Für höhere Exaktheit sorgt eine Analyse in beiden Skalierungen, die ermittelten Mindestkursziele fallen oft annähernd gleich aus, besonders, wenn kurzfristige Trends analysiert werden. Sofern es sich um längerfristige Trendverläufe handelt, ist das Hinzuziehen der logarithmischen Skalierung bei der Trendliniendifferenzmethode in jedem Fall ratsam. Die Zeitintervalle hingegen sind weniger bedeutsam, weil das Verfahren bei allen zeitlichen Intervallen gleich gut funktioniert.
Die Trendliniendifferenzmethode im Demokonto einüben
Vor allem die Trendliniendifferenzmethode scheint zunächst ein klar definierter und gut verständlicher Ansatz bei der Berechnung von Kurszielen. Dennoch gilt auch in diesem Fall, dass die Technische Analyse insgesamt schon allein wegen der zahlreichen Tools und Indikatoren, die genutzt werden, sehr komplex ist. Da bei der Kurszielbemessung im Idealfall mehrere Methoden kombiniert werden sollten, ist es unabdingbar, mit der Handhabung gut vertraut zu sein. Meister fallen jedoch auch hier nicht vom Himmel, und wer seine Anfängerfehler bei der Chartanalyse mit einem Echtgeldkonto macht, zahlt viel Lehrgeld. Deshalb empfiehlt sich der Einstieg mit einem Demokonto. Eine derartige kostenfreie und auch oft zeitlich nicht begrenzte Demo kann bei vielen Brokern genutzt werden, die Anbieter fordern dazu sogar auf. In Verbindung mit Bildungsressourcen, etwa Online-Kursen und Webinaren zum Thema Technische Analyse, können sich auch Anfänger die erforderlichen Grundkenntnisse aneignen und diese dann ohne jedes Risiko mit der Demo praktisch üben.
Dabei kann die Handelsplattform des Brokers in der Regel vollumfänglich genutzt werden, die Chartdarstellung und der Einsatz von Zeichenwerkzeugen, Indikatoren und weiteren Tools wird ganz praktisch erlebt. Dank des Demokontos können Einsteiger Verfahren wie die Trendliniendifferenzmethode und andere Berechnungsmethoden in aller Ruhe üben, bis die Handhabung sitzt. Daher stellt die Übung mit der Demo eine wertvolle Hilfe beim Erlernen der Technischen Analyse dar. Natürlich vermitteln derartige Übungen auch Erkenntnisse zum eigenen Risikoverhalten und dazu, wie anfällig man für Wunschdenken und blindes Folgen ist. Derartiges Fehlverhalten kann schon während der Vorbereitungszeit im Demokonto korrigiert werden, so weit es geht, um die späteren Risiken für das eigene Kapital zu senken, wenn der Übergang zu einem Live-Konto vollzogen wird.
Fazit
Die Trendliniendifferenzmethode gehört zu den unmittelbar verständlichen und einfach anwendbaren Verfahren zur Kurszielbemessung. Dabei werden die so ermittelten Kursziele mitunter sehr genau erreicht, insgesamt liefert aber auch diese Methode eher minimale Kursziele. Die Ausnutzung der Trendliniendifferenzen für die Ermittlung von Kurszielen nach Ausbrüchen kann über alle Zeitintervalle angewendet werden, sie entfaltet ihr ganzes Potenzial vor allem dort, wo Massenpsychologie bei Anlegern eine erhebliche Rolle spielt, beispielsweise bei bedeutenden Indizes. Das Hinzuziehen anderer Berechnungsmethoden erleichtert die Bestimmung von Überlappungen oder Clusters, um bevorstehende Kursziele zuverlässiger eingrenzen zu können. Die Handhabung der Chartanalyse und der einzelnen Berechnungsmethoden kann mithilfe eines kostenlosen Demokontos geübt werden. Einsteiger, die in einer echten Handelsumgebung, aber mit virtuellem Kapital die Berechnung von Kurszielen und den Umgang mit Charts und Tools üben, laufen weniger Gefahr, später beim Echtgeldhandel aufgrund von Fehlentscheidungen Verluste zu erleiden.