Risiko in der Wirtschaftswissenschaft
Von einem Risiko spricht man in der Welt der Wirtschaft und Finanzen, wenn bestimmte oder erwünschte Resultate und Entwicklungen nicht sicher vorhergehen oder ihr Eintreten nicht als gegeben hingenommen werden kann. Risiken beeinträchtigen die Entscheidungsmöglichkeiten und die aus Entscheidungen hervorgehenden Situationen, und zwar sowohl vor als auch nach einer Entscheidung.
Risiken vor und bis zu einer Entscheidung sind mit der Entscheidung selbst, ihren Ergebnissen, ebenso auch mit den aufgrund einer Entscheidung entgangenen Opportunitätsentwicklungen assoziiert. Nach getroffener Entscheidung ergeben sich daraus das sogenannte Handlungsrisiko und Risiken zu Planung und abweichenden Szenarien. Dem Risikobegriff entgegengesetzt ist das Konzept der Sicherheit.
Investieren in Aktien ohne Risiko?
Aktien gelten als Anlageprodukte mit vergleichsweise hohen inhärenten Risiken für Investoren. Auf einer Skala von 1 bis 5 liegen die meisten Aktien höchstens auf der dritten Stufe, mitunter sogar noch niedriger. Zwar lässt sich bei großen, gut am Markt etablierten Marken davon ausgehen, dass sie eine geringere Volatilität mitbringen als andere Unternehmen, doch zu den sichersten Investitionen gehören Aktien nicht.
Angesichts der Kursschwankungen ist es kein Wunder, dass sich Aktien besonders für einen langfristigen Investitionshorizont eignen. Auf diese Weise gleicht sich das Auf und Ab der Kurse im langfristigen Mittel wieder aus und durch Zugewinne über mehrere Jahre macht sich die Anlage dann bezahlt. Aktionäre beobachten dementsprechend die Wertentwicklung ihres Portfolios auch nicht täglich, sondern projizieren ihre Renditeerwartungen auf Zeiträume, die durchaus Jahrzehnte abdecken können und ihnen erlauben, gelegentlich Kurseinbrüche auszusitzen.
Die Diversifikation des Portfolios zur Risikominderung
Dennoch können natürlich einzelne Werte oder auch ganze Branchen oder Regionen den Sinkflug antreten und sich nicht oder nur mäßig wieder erholen. Die klassische Sicherheitsmaßnahme ist die breite Verteilung des Kapitals im Portfolio, die sogenannte Diversifizierung.
Dabei werden Aktienkörbe zusammengestellt, die zahlreiche Industrien, Regionen und Länder, sogar ganz verschiedene Kontinente berücksichtigen, ergänzt um weitere Anlageklassen, beispielsweise Anleihen, die sich gegenüber Aktien oft gegenläufig entwickeln, aber auch Rohstoffe oder Fonds. Außerdem ist es keine schlechte Idee, Risikobewertungen von Einzeltiteln, Assetklassen oder Regionen und Industrien nicht einfach zu übernehmen, sondern eine eigene Analyse vorzunehmen.
Wann machen Aktien das Rennen?
In bestimmten Marktsituationen können sich Investitionen in Aktien für Anleger als ausgesprochener Glücksfall erweisen – das ist immer dann der Fall, wenn die Geldwirtschaft eines Landes oder eines größeren Wirtschaftsraumes gestört wird und normale Gesetze der Wirtschaftswissenschaft zeitweise ausgehebelt scheinen. Das ist der Fall, wenn es zu Revolutionen oder Konflikten kommt, aber auch im Kielwasser von Staatspleiten oder Währungsreformen. Auch die Insolvenz einzelner Banken kann Anleger um einen Teil oder das gesamte Vermögen bringen.
Die Anlage in Aktien besonders resilienter Unternehmen, deren Erzeugnisse von grundlegender Wichtigkeit sind, kann sich in derartigen Situationen als Rettungsanker erweisen. Hier gilt jedoch ebenfalls, dass Investoren Geduld haben müssen, damit sich die Aktien nach Kriegen, Konflikten oder politischen Verwerfungen wieder erholen können. Zeit und Geduld sind bei einem Aktienportfolio als wichtige Faktoren für den Erfolg der Anlage.
Risiken begrenzen auf der Grundlage der Portfoliotheorie
Der US-amerikanische Wirtschaftsexperte Harry M. Markowitz stellte 1952 seine Portfoliotheorie vor, für die er Jahrzehnte später mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Noch immer bilden die von Markowitz formulierten Theorien die Grundlage für die Zusammenstellung eines gut ausbalancierten Portfolios.
Der Experte definierte die drei Faktoren Risiko, Rendite und Liquidität als Eckpunkte des „magischen Dreiecks“ der Investition. Immer nur zwei dieser Faktoren lassen sich gut miteinander vereinbaren. Entsprechend der eigenen Risikoneigung kann das Portfolio so optimiert werden, dass sich bei dem geringsten notwendigen Risiko der höchstmögliche Gewinn erzielen lässt.
Die Risiken lassen sich anhand der Portfoliotheorie in systemische und unsystemische Risiken einteilen. Während das systemische Risiko alle Aktien oder sogar sämtliche Anlageklassen betreffen kann, ergibt sich ein unsystemisches Risiko aus dem jeweiligen Einzeltitel. Systemische Risiken lassen sich nur schwer vorhersehen und nur teilweise ausgleichen. Die mit dem Einzelwert verbunden Risiken können jedoch durch eine Analyse ermittelt und berücksichtigt werden.
Analyse und Diversifizierung
Welches Risiko eine Aktie mit sich bringt, können Anleger durch verschiedene Formen der Analyse feststellen. Bei Unternehmensanteilen empfiehlt sich nicht nur der Blick auf die Kursentwicklung im Chart, sondern die fundamentale Analyse. Sie präzisiert die Erfolge und vergangene Performance anhand von Liquidität, Bilanzen und Dividendenausschüttungen. Auch die Strategien der Geschäftsführung, die Herausforderungen durch neue Technologien und Wettbewerber und der Vergleich mit ähnlichen Konzernen gehören zu dieser Form der Bewertung, die auch von den Analysten der großen Investmentbanken eingesetzt wird, um Empfehlungen zu einzelnen Werten zu formulieren.
Vergangene Leistungen sind keine Garantien für künftige Erfolge
Neben der bisherigen Leistung werden wirtschaftswissenschaftliche Kennzahlen herangezogen, die den inhärenten Wert einer Aktie bestimmen helfen, etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Doch die meisten Bestandteile der Analyse stützen sich auf Werte aus der Vergangenheit.
Eine sichere Feststellung und Bewertung der zukünftigen Performance lässt sich davon nicht ableiten – da kein Unternehmen im luftleeren Raum agiert, sind vergangene Werte nur Anhaltspunkte. Das grundsätzliche Risiko einer spekulativen Anlage lässt sich also nicht ausschalten. Für eine annähernd umfassende Analyse sollte verschiedene Faktoren zusammenkommen:
- Fundamentale Analyse
- Volatilitätsberechnung
- Risikokennzahlen
Was die Volatilität über das Aktienrisiko aussagt
Als vergleichsweise aussagekräftig – auch für die Bemessung des Aktienrisikos – gilt die Volatilität. Die Schwankung der Kurse lässt sich nämlich auf einen Durchschnittswert bringen, die Standardabweichung. Anhand von Berechnungen lässt sich die absolute Volatilität eines Wertes ermitteln, der auch als Betafaktor bezeichnet wird.
Doch auch die Volatilität ist kein hundertprozentig verlässliches Tool, denn bei dieser Art der Bewertung erhält eine Aktie, die sich auf kontinuierlicher Talfahrt befindet, bessere Noten als ein Wert mit schwankenden, aber grundsätzlich verlässlichen Kursgewinnen. Dennoch ist die Volatilität als Risikohinweis wichtig – zusammen mit den bereits geschilderten Betrachtungen zum Unternehmen und mit den wichtigsten Kennzahlen.
Spezielle Risikokennzahlen für das Aktienrisiko
Eigens für die Risikobestimmung gibt es weitere Kennzahlen, die ebenfalls von Analysten entwickelt wurden
- Maximum Drawdown: Verlust bei Einstieg zum höchsten Kurs und Ausstieg beim tiefsten Stand eines Wertes
- Value at Risk:Verlustrisiko auf der Basis der Volatilität
- Sharpe Ratio: Ermittlung einer risikobereinigten Leistung durch rechnerischen Vergleich mit risikolosen Finanzprodukten
- Margin of Safety: Dieser Wert stützt sich auf die Chartanalyse und wird beim Value Investing gern genutzt. Der Ansatz bemüht sich um den gezielten Kauf unterbewerteter Aktien, in der Hoffnung, dass der tatsächliche Kurs sich in der Zukunft einem projizierten inneren Wert annähern wird.
Das Gesamtrisiko einer Aktie vor der Investition einschätzen
Sich einen Überblick über die Strategien und Leistungen eines Unternehmens zu verschaffen, um die Risiken einer Aktie einzuschätzen, ist natürlich vernünftig. Immerhin bewahrt es Anleger davor, ihr Kapital in vorhersehbare Verlierer zu versenken. Doch langfristig entscheidet nicht die Risikobewertung von einzelnen Titeln über den Erfolg eines Portfolios.
Viel wichtiger ist die Diversifizierung, also die Verteilung der Anlage über verschiedene Branchen, Regionen und Anlageklassen. Dabei kann eine Einzelaktie unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, ob sie der Risikoausrichtung des eigenen Portfolios entspricht und daher eine sinnvolle Ergänzung darstellen könnte.
Diversifizieren mit Aktien- und anderen Fonds
Wer sich die händische Zusammenstellung des eigenen Aktienkorbs ersparen will, kann sein Portfolio mithilfe von Fonds breit aufstellen. Dabei haben Anleger die Wahl zwischen aktiv gemanagten Fonds und den passiv verwalteten, börsengehandelten Indexfonds, den sogenannten ETFs. Die Vorteile, was das Aktienrisiko betrifft, sind offensichtlich: Fonds gehen von vornherein mit einer gewissen Streuung einher, die größten von ihnen, wie der MSCI World, berücksichtigen eine Fülle internationaler Werte.
Gleichzeitig sind Fonds mit Schwerpunkten auf Aktien und anderen Anlageklassen wie Anleihen oder Rohstoffen verfügbar, auch Spezialgebiete wie Tech-Indizes, grüne Anlagen oder Indizes von Schwellenländern finden sich unter den Basiswerten der immer beliebteren ETFs, die den jeweiligen Index algorithmisch abbilden und die Anlage schon mit geringem Budget ermöglichen. Wer sein Portfolio mithilfe der kostengünstigen Indexfonds zusammenstellt oder verschiedene ETFs bespart, kann dem Aktienrisiko einen beträchtlichen Riegel vorschieben.
Fazit: Das Aktienrisiko reduziert sich vor dem Hintergrund einer klugen Diversifizierung
Die Risiken, die mit der immerhin spekulativen Anlage in Aktien einhergehen, können nicht vollständig umgangen werden. Doch die Kenntnis der Methoden zur Risikobewertung öffnet Aktionären die Augen für potenziell wertvolle Ergänzungen der eigenen Anlage. Auch die Methoden der Portfoliotheorie helfen unter Einbeziehung von Fundamentalanalyse und Risiko-Kennzahlen das Portfolio in Hinblick auf das gewünschte individuelle Risiko-Rendite-Verhältnis zu optimieren.
Anleger, die sich nicht mit der Auswahl von Einzelwerten und deren Risikoanalyse beschäftigen möchten, können ihr Portfolio durch eine Zusammenstellung von Fonds diversifizieren. Insbesondere ETFs ermöglichen hier eine breite Aufstellung schon mit geringem Budget, die in dieser Form bei einer direkten Investition in Aktien nicht möglich wäre. Eine Kombination von ETFs mit unterschiedlichen Schwerpunkten streut die Anlage weiterhin.